Anfrage:
1. Sie haben vom 4. Juni bis zum 1. Juli 2021 eine Anzeige geschaltet, wonach sich Betroffene von Misshandlungen in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrien für eine Entschädigungszahlung anmelden können (FB Werbe-ID: 3618452225046948). Diese Anzeige haben Sie gezielt an Menschen gerichtet, die sich laut Facebook für die “Sozialdemokratische Partei Deutschlands” interessieren. Warum?
2. Sie haben eine Anzeige zum Thema “umweltfreundlichen Verkehr” vom 10. bis zum 13. August 2021 geschaltet (FB Werbe-ID: 211611477585768). Die Anzeigen haben sie gezielt an Menschen gerichtet, die sich sich laut Facebook für die “Sozialdemokratische Partei Deutschlands” interessieren. Warum? Wieso bewirbt Ihr Ministerium ein Wahlkampfthema wenige Wochen vor der Bundestagswahl und targetet damit Personen, die sich für die Sozialdemokratische Partei interessieren?
3. Ihr Ministerium hat also während des Wahlkampfs staatliche Mittel verwendet, um potentielle SPD-Wähler:innen anzusprechen. Es liegt nahe, dass Sie damit gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.1977 (AZ: 2 BvE 1/76) verstoßen (‘Einsatz staatlicher Mittel zur Unterstützung einer Partei durch Werbung’). Was sagen Sie dazu?
Antwort:
Wir halten uns grundsätzlich an die Vorgaben und damit das Zurückhaltungsgebot des von Ihnen zitierten Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.1977. Entsprechend agieren wir in der Öffentlichkeitsarbeit und damit auch im Bereich Social Media.
Im Bereich Social Media fokussieren wir die Bewerbung von Posts grundsätzlich nicht auf parteispezifische Zielgruppen und haben unsere Dienstleister entsprechend angewiesen.
Dennoch mussten wir jetzt dank Ihres Hinweises feststellen, dass der Dienstleister, der unser Facebook-Werbekonto betreut, in der Tat für die beiden von Ihnen genannten Posts bei der Bewerbung u.a. “Personen mit dem Merkmal: Sozialdemokratische Partei Deutschlands” bei der Auswahl der Zielgruppe „getaggt“ hat.
Das ist aus Sicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) ein Fehler, der nicht passieren darf. Er widerspricht eindeutig den Vorgaben des BMAS an den Dienstleister und ist ohne Wissen des BMAS erfolgt.
Das bedauern wir ausdrücklich. Es geht auf einen internen Fehler und ein individuelles Fehlverhalten beim Dienstleister zurück, der die Anzeigen bucht und bearbeitet.
Der Dienstleister erklärt, dass es sich um eine wiederholte Unachtsamkeit gehandelt hat, die wohl wie folgt zustande gekommen sein muss:
Beim Einrichten der Werbeparameter für eine Anzeige schlägt Facebook qua Algorithmus Begriffe in Ähnlichkeit zu bereits eingegebenen Begriffen vor. Vor „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ steht „Sozialer Wandel“ und dahinter „Demokratie“ gefolgt von „Regierung“ und „Politik“. Die Agentur geht davon aus, dass hier ein vorgeschlagener Terminus angeklickt, aber nicht noch einmal kritisch überprüft wurde. Der Dienstleister ist zur Zeit weiter bemüht, den Fehler im Detail zu rekonstruieren.
Seitens des BMAS prüfen wir, ob weitere Kontrollmechanismen zu etablieren sind, um solche externen Fehler zukünftig zu entdecken und zu vermeiden.
Als BMAS müssen wir uns darauf verlassen, dass die Dienstleister sich an die Vorgaben des BMAS halten. Das ist in diesem Fall nicht geschehen. Deshalb prüfen wir auch die Auswahl eines neuen Dienstleisters für das Online-Marketing.
Bei den beiden genannten Posts handelt es sich um sogenannte Service-Posts, die die Öffentlichkeit informieren und mit geringen Budgets versehen waren.
Der Post für die Stiftung Anerkennung und Hilfe ist eine Erinnerung für Menschen, die sich bis Ende Juni 2021 in Bezug auf selbst erlebtes Unrecht hilfesuchend an die Stiftung Anerkennung und Hilfe wenden konnten. Damit der Post mehr Menschen als die bisherigen Kanal-Abonnent*innen erreicht, haben wir ihn mit knapp 400 Euro im Zeitraum vom 3. bis zum 30. Juni 2021 beworben. Der Zeitraum ist länger als üblich, da es hier um ein hochsensibles Thema geht und eventuell Betroffene Zeit benötigen, um sich zu melden und das ihnen widerfahrene Unrecht zu thematisieren.
Im Service-Post vom 10. August 2021 ging es darum, Menschen zu aktivieren, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren, um sowohl ihre Gesundheit zu fördern als auch, durch Entlastung des ÖPNV, einen positiven Effekt für andere auf dem Arbeitsweg (in Pandemiezeiten) zu erlangen.
Der Facebook-Post wurde mit knapp 300 Euro für die Laufzeit vom 10. bis zum 12. August 2021 beworben, so dass auch dieser Post mehr als die bisherigen Kanal-Abonnent*innen erreichen konnte.